Urbanes Gärtnern in Chicago und Berlin: Ein transatlantischer Wissensaustausch

Auf Einladung der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer Midwest (GACC Midwest) ist ein Teil unseres Teams zusammen mit weiteren Akteur*innen der Berliner Urban Gardening Szene (Spreeacker e.V. , Tempelhofer Berg e.V. , Senatsverwaltung Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt und ClimateHOOD_CampusPARK_Charlottenburg)  im Juli 2024 nach Chicago gereist. Ziel der Reise war der Aufbau von Verbindungen zwischen den Akteur*innen der Berliner und Chicagoer Urban Gardening Szene und der Austausch von Erfahrungen und Best Parctice Beispielen, um in längerfristigen Kooperationen Urban Gardening als Baustein der resilienten Stadtumgestaltung in Zeiten der Klimakrise auszubauen.

Dank eines bestens kuratierten und vielfältigen Programms hatten wir die Möglichkeit inspirierende Menschen und deren Projekte kennenzulernen:

Global Garden Refugee Training Farm

Die Global Garden Refugee Training Farm im Norden Chicagos / Albany Park bietet auf gut 4000m² geflüchteten Mensch die Möglichkeit, Urbane Landwirtschaft zu betreiben. Hier bauen vor allem Menschen aus der burmesischen Gemeinschaft Lebensmittel für ihre Familien und auch für den Verkauf auf Märkten in der Umgebung, an Restaurants und die eigene Solidarische Landwirtschaft an – vor allem Pflanzen und Gemüse aus ihren Herkunftsländern, wie z. B. Wasserspinat und Rosellenblätter finden hier Platz und große Begeisterung. Viele der Familien sind vor Verfolgung und Krieg geflohen und sehen sich bei ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten mit neuen Problemen konfrontiert, von Sprachbarrieren bis hin zu Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche. Auf der Global Garden Refugee Training Farm können sie wieder ein Gefühl der Selbständigkeit und der Gemeinschaft entwickeln und – für Menschen, die schon in ihren Herkunftsländern Landwirtschaft betrieben haben – ihre Verbindung zu Land und Natur wieder aufbauen.

Plant Chicago

In einer ehemaligen Feuerwache in der Nachbarschaft Back of The Yards im Südwesten der Stadt untergebracht, leistet das Team von Plant Chicago Bildungsarbeit rund um Circular Economy, Lebensmittelanbau und nachhaltiges Wirtschaften und Leben. Hier werden im Rahmen eines Pilotprojektes das gesamte Jahr z.B. Blattgemüse mit Aquaponik und Hydroponik sowie Pilze auf Gewebekultur und Büchern angebaut und wissenschaftlich begleitet. Ergänzt mit einer Schar Hühnern und einem Garten auf dem Außengelände findet die Nachbarschaft hier einen niedrigschwelligen und praxisnahen Zugang zu vielfältigen Anbaumethoden.

Chicago Food Policy Action Council (CFPAC)

Bei einem Treffen mit dem Chicago Food Policy Action Council (CFPAC) hatten wir die Möglichkeit uns über die Vielfältigkeit der Urban Gardening Szene – sowohl in Berlin als auch in Chicago – auszutauschen. Mit gut 890 Urbanen Gärten (vgl. CUAMP)  gibt es in Chicago einiges zu entdecken! An der Schnittstelle zwischen Ernährungsgerechtigkeit und -souveränität, Gesundheit und Gemeinwohlorientierung arbeitet das CFPAC an der Umsetzung verschiedener Programme um das Potential der Chicagoer Gemeinschaftsgartenlandsschaft zu stärken.

The Wild Mile

Die gemeinnützige Organisation Urban Rivers hat mit ihrem Projekt Wild Mile ein lebendes Labor ins Leben gerufen: hier wird mit Hilfe von barrierearmen Holzstegen und schwimmenden Bepflanzungselementen ein Teil des North Branch Canal zwischen den Stadtteilen Goose Island und Near North Side renaturiert und in ein Naturschutzgebiet umgewandelt. Die Bepflanzungselemente ahmen ein natürliches Feuchtgebiets-Ökosystem nach, wie es in der Gegend von Chicago lange vor der Erschließung der Stadt existiert haben könnte. Sie sind auf Pontons aufgebaut, bestehen aus umweltfreundlichen Materialien und sind für eine lange Lebensdauer ausgelegt. Die Bepflanzung besteht aus in Illinois heimischen Feuchtgebietsarten und ermöglicht es den Pflanzenwurzeln, durch die Rahmenelement direkt in den Fluss zu wachsen. Außerdem werden hier auch gefährdete Süßwassermuscheln wieder angesiedelt, die in städtischen Flussabschnitten aufgrund der ungünstigen Bedingungen des postindustriellen Flussbodens nicht mehr überleben können. Diese Muscheln spielen eine entscheidende Rolle im lokalen Ökosystem und filtern jeweils bis zu 37 Liter Wasser pro Tag!

Green Era Campus

Der Green Era Campus in Chicagos South Side / Greater Auburn Gresham bespielt eine 3,6 ha große Industriebrache. Das Herzstück des Campus ist eine selbstversorgende anaerobe Vergärungsanlage die in großen Mengen Lebensmittelabfälle aus umliegenden Kommunen, Restaurants, Lebensmittelunternehmen und -hersteller sowie von Anwohnenden zu Biogas und Kompost umwandelt. In Zukunft entstehen hier weitere Einrichtungen für Bildungsarbeit und den Gemüseanbau: geplant ist ein Gewächshaus für den ganzjährigen Anbau von Lebensmitteln, ein Bildungszentrum, eine Jungpflanzenanzucht mit Verkauf und Grünanlagen mit Gemeinschaftsgärten, einem Waldgarten und Wildpflanzenhabitate.

Urban Growers Collective

Das Urban Growers Collective ist eine von BIPOC und Frauen geführte gemeinnützige Urbane Landwirtschaft und betreibt insgesamt acht Urbane Farmen auf 4,5 ha. Neben der Produktion von Gemüse, Kräutern, Obst und Beeren wird im Urban Growers Collective auch ausgebildet und Sommerprogramme für junge Erwachsene angeboten. Die Ernte wird auf Märkten und über die selbstorganisierte Gemüsekiste verkauft. Mit ihrem mobilen Marktbus wird außerdem jeden Tag Gemüse in verschiedene food desterts geliefert – Gegenden in denen die Wege zu Lebensmittelgeschäften weit sind oder in denen gesunde Lebensmittel zwar erhältlich, aber kaum erschwinglich sind. Bezeichnend ist auch die Geschichte hinter dem Logo des Urban Growers Collective: es ist inspiriert von der Erzählung des Drinking Goud: „Follow the Drinkin‘ Gourd“ war ein Lied, das die Schaffner der Underground Railroad benutzten, um versklavten Menschen den Weg in die Freiheit zu weisen, indem sie den Großen Wagen oder, in der afrikanischen Kultur, das Bild des Trinkkürbisses verwendeten. Mit dem Nordstern als Wegweiser erkämpften sich die versklavten Männer, Frauen und Kinder ihren Weg in die Freiheit.

Urban Gardening in Chicago and Berlin: A Transatlantic Knowledge Exchange

Ein wichtiger Teil des Austausches war auch die Panel Dikussion Urban Gardening in Chicago and Berlin: A Transatlantic Knowledge Exchange. An dem von GAACM und Chicago Climate Connect organisiertem Panel nahmen einige der Mitglieder der deutschen Urban Gardening Delegation und die Geschäftsführerin der Global Garden Refugee Training Farm Haley LeRand teil. Es wurden die Bedeutung urbaner Gärten, ihre sozialen und ökologischen Rollen sowie Herausforderungen und Lösungen diskutiert. Die Teilnehmenden betonten, dass urbane Gärten nicht nur grüne Oasen in Städten sind, sondern auch wichtige soziale Treffpunkte, die das Gemeinschaftsgefühl fördern, Menschen verschiedener Hintergründe zusammen bringen und Lern- und Austauschmöglichkeiten bieten.

Ein zentrales Thema waren außerdem die unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen und Regelungen, die die Umsetzung urbaner Gartenprojekte erschweren. Es wurden bewährte Praktiken ausgetauscht, Hindernisse erörtert und Gemeinsamkeiten festgehalten.

Die Diskussion verdeutlichte die wichtige Rolle urbaner Gärten für soziale und ökologische Nachhaltigkeit in Städten. Trotz der Herausforderungen besteht Optimismus, dass durch gemeinsame Anstrengungen und innovative Ansätze die Zukunft urbaner Gärten gesichert und weiter ausgebaut werden kann.

Wir kommen voller Inspiration und Tatendrang zurück nach Berlin. Auch wenn es in der täglichen Praxis manchmal schwierig ist zu integrieren, hat uns dieser Austausch gezeigt, wie wertvoll und wichtig es ist, Netzwerke auszubauen und sich auszutauschen – vor Ort sowie über den eigenen Tellerrand hinaus.

Herzlichsten Dank an die GACC Midwest, das Auswärtige Amt und die Transantlantic Climate Bridge, die diesen inspirierenden Austausch möglich gemacht haben. Besonders auch an Laurent, Melanie, Charlotte, Britta und Jan, die für das tolle Programm gesorgt und uns so herzlich empfangen und begleiten haben – es war uns eine große Freude!