
Jörg Weber

Jörg Weber, gebürtiger Potsdamer, treffe ich im Gutsgarten Hellersdorf, in dem er auch engagiert ist. Ich frage, wann er in den Bezirk gekommen sei. Er überlegt. »Oh… seit ’99. « Und was ihn hierher geführt hätte? Lachen: »Die Frau. Ich hab’ vorher in Mitte gewohnt.« Ob das schwierig gewesen sei, frage ich.
»Schwierig war es nicht. (Pause) Es war alles weiter weg und es war für mich aber auch besser, weil ich hab’ jetzt ’ne Familie gehabt und vorher war ich alleine in Mitte und dieses Leben – ich war da 38 Jahre – da hat man nicht so’n Bock auf diesen ganzen Trubel und ich hab’ das alles erlebt von den 90ern – das war toll, aber ich hatte genug davon und fand das angenehm, in die Ruhe zu ziehen. Grüner, bessere Luft – das hat mir sehr gut getan, ich hab’ das auch nie bereut, von Anfang an hab’ ich mich hier gut gefühlt und hab’ das auch irgendwie als meine Heimat erobert.«
Und das obwohl er Hellersdorf vorher nur »vage« kannte und den Bezirk, als er bei einem Kumpel in den 90ern die Wohnung mitrenovierte, eher »exotisch« – sumpfig, matschig und: »Wo fahren wir denn jetzt hin, das endet ja nie!« – fand. »Das waren so die Erinnerungen von Hellersdorf (lacht).«
Im Bezirk selbst engagiert sich Jörg Weber erst seit knapp einem Jahr; beruflich ist er eigentlich in anderen Teilen der Stadt unterwegs. In Hellersdorf hat er »immer Erholung [gefunden], eine Phase der Entspannung, von der Tätigkeit weg. Aber ich hab’ jetzt hier nie aktiv nach außen gewirkt.«
Doch nun hat Jörg Weber ein eigenes Projekt in Hellersdorf mit dem Titel Leben, für das er eine Förderung vom Senat bekommen hat. Weil er sich hier »einbringen« wollte nach fast 20 Jahren. Und die Idee kam durch den Kontakt mit der Geflüchtetenunterkunft in Hellersdorf. »Mir ging es darum, ein groß angelegtes Projekt hier zu verwirklichen. Das beinhaltet die Integration von Menschen. Dass Menschen zusammenkommen über die Kunst, möglichst unpolitisch, sich selbst verwirklichen können und Freude daran haben. […] Mir war wichtig, dass über die Kinder die Erwachsenen zusammenkommen. […] Ich hab’ das Projekt entwickelt, dass wir ein riesen Wandbild kreieren, malen, bestehend aus zwanzig verschiedenen Leinwänden […] und diese werden individuell von kleinen Grüppchen bemalt. Und das Malen ist ja gar nicht das Entscheidende, sondern das Zusammenkommen, das Mutig sein, das Sprechen miteinander.
[…] In der Unterkunft leben Leute aus Kriegsgebieten, die wir selber mit zu verantworten haben; nicht, dass wir eine Schuld haben, aber dass wir verantwortlich sind und wir das öffnen müssen – das ist abgeschlossen, da ist ein Zaun, Security, da geht keiner rein – das muss ja nicht sein – durch dieses Kunstprojekt will ich die Tore öffnen. […] Ich werd’ im Wohngebiet Werbung machen, dass die Leute aus ihren Häusern, von ihren Handys wegkommen (lacht) Es ist nicht vorgegeben, was gemalt wird, […] die Idee soll von allen entwickelt werden. Es gibt so ein grobes Thema, das heißt Leben.«
Ob es ein Gemeinschaftsgefühl in Hellersdorf gebe, frage ich. Jörg Weber verneint. »Ich find das ein bisschen wenig und schade. Das war vor 30 Jahren zu Ostzeiten natürlich anders, auch in diesen Neubaublocks, da hat man mehr miteinander kommuniziert, da hat man zusammen gegrillt. Das lag aber auch daran, dass die Leute alle auf einem Level waren. Nicht so beschäftig, nicht so nach außen orientiert, die hatten schon mehr Freizeit für sich selbst und sie waren alle gleich arm, sag ich mal. Und da gibt’s jetzt wesentliche Unterschiede.« Es gäbe vieles »was die Leute von sich ablenkt und dass das ein großer Faktor ist, dass die Leute nicht darauf kommen, miteinander zu reden, zu kommunizieren. Es ist egal wo ich wohne, ich habe immer die Möglichkeit mich zu entscheiden, wie ich mein Leben gestalten möchte. Und Hellersdorf nimmt sich da nicht aus. […] Das Sein ist das Entscheidende. […] Ich versuche Menschen zu zeigen, wie schön und einzigartig sie selbst sind, […] dass sie sich freuen, dass sie da sind.«