Emily

Die 17-jährige Emily ist in Hellersdorf geboren und aufgewachsen (während ich dieses Interview transkribiere, ein paar Monate nach unserem Gespräch, dürfte sie inzwischen volljährig sein).

Noch immer lebt sie in Hellersdorf und absolviert derzeit eine Ausbildung im Friedrichshain zur Sozialpädagogischen Assistentin. Sie ist im letzten Semester und wird im Januar 2020 ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Ob sie in diesem Bereich bleiben wolle? Bereits fünfzehn­jährig war sie fertig mit der Schule. »Mit 15 musst du wissen, was du dein Leben lang machen möchtest und das kann man nicht sagen.« Die Aussichten sind also offen. Ihr Traumland: Schweden.
Ob Emily ihr Geburtsbezirk gefalle, frage ich. »Früher war’s besser, jetzt gibt’s halt immer mehr Gewalt­taten und da hat man schon Angst, rauszugehen.« Ich frage nach der Art der Übergriffe. »Raubüberfälle: Vor kurzem hat eine Gruppe von Jugendlichen andere Leute überfallen – wo ich mir auch denke – am helllichten Tage, ich war ’ne halbe Stunde vorher da. Wär’ ich ’ne halbe Stunde später gewesen, hätten die mich überfallen. Hier am U-Bahnhof.«

Ihre Eltern stammen aus zwei nebeneinanderliegenden Dörfern in der Uckermark und sind dann gemeinsam nach Hellersdorf gekommen. Sie haben sich auf einer Party kennengelernt, erzählt mir Emily: »Das war wirklich Liebe auf den ersten Blick, der erste Tanz, mit richtigem Tunnelblick.« Ob sie sich das auch wünsche? Emily antwortet mit einem klaren Ja.

Emily ist Mitglied in einem Jugend­club in Hellersdorf, den sie regelmäßig besucht und mit welchem sie auch schon im Urlaub war. »Das ist eine Jugend­freizeiteinrichtung. Sie öffnet eigentlich um 10 Uhr, aber regulär ab 13 Uhr. Das ist wie so eine Familie da für mich. Ich hatte auch immer ’ne Zeit lang private Probleme und bin durch Zufall auf den Jugendclub gekommen. Die haben mich gleich mit offenen Armen aufgenommen und sagen ja selber, dass ich schon zur Familie gehöre.« Mit den Leuten von »früher« hat Emily kam noch etwas zu tun. Zu viel Alkohol und harte Drogen. Das sei im Jugendclub anders. »Wir haben eine Regel, dass man nicht alkoholisiert oder mit Drogen­konsum in den Jugendclub reinkommt. Find ich auch richtig so. Die Betreuer sind richtig nett. Sie sagen selber, wenn man sie kacke behandelt, behandeln sie selbst einen auch so, damit man einfach spürt: Yo, so geht das nicht! Ein Glück bei mir nicht, bin eher die Ruhige, hab auch oft auf nichts wirklich Lust, weil ich nach der Ausbildung immer so müde bin, aber ich bin halt trotzdem immer dabei. Ich kann kommen wann ich will, solange ich will. Sie freuen sich immer, wenn man da ist.« Ich staune, als Emily mir von einer Drogenpalette berichtet, die von Alkohol über Kokain bis hin zu Ecstasy reicht, welche von vielen Jugendlichen konsumiert wird. »Leider werden die auch immer jünger mit den Drogen.«

Ob sie also in Hellersdorf bleiben würde, sollte das mit Schweden nicht gleich klappen. »Auf jeden Fall, ja! [sie überlegt einen Augenblick] Vielleicht auch Hamburg, weil ich war ja vor kurzem in Hamburg und find’s richtig schön.« Die Frage, ob sie in einen anderen Bezirk Berlins wolle, verneint sie konsequent. »[Hellersdorf] ist der einzige Bezirk, in dem man sich noch die Mieten leisten kann. Und ich gehe gern und oft mit meiner Mum zusammen spazieren, das ist einfach erholsam.« Wir finden beide, dass Hellersdorf ein ausgesprochen grüner Bezirk ist. Zum Abschluss frage ich, ob Emily sich etwas für Hellersdorf wünsche. »Dass nicht noch mehr Wohn­ungen gebaut werden. Die ganzen Grünflächen, alles weg ! – und nur Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen.«