Stadtbäume, Mensch & Klima

 

431 101 Stadtbäume – Klima zum Anfassen

 

Mit dieser Ausstellung möchten wir euch zeigen, dass die Klimakrise real ist und wir gemeinsam etwas dagegen tun können. Damit unsere Lebenswelt für uns selbst, aber auch für zukünftige Generationen weiterhin lebenswert bleibt! Die Klimakrise zeigt sich unter anderem an der Gesundheit der 431 101 Berliner Stadtbäume.[1] Sie sind bereits seit Jahren krank und werden immer weniger. Insbesondere Stadtbäume leiden und sterben an Ursachen wie Hitzestress, Trockenheit und Schädlingsbefall, gegen die sie sich bisher gut zu wehren wussten. Die Ausstellung besteht insgesamt aus 8 weiteren Texttafeln und betrachtet die Themen Stadtbäume, Mensch und Klima aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die 8 Tafeln findet ihr an unterschiedlichen Kreuzungen entlang des Mittelwegs auf dem Friedhofgelände. Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit drei Initiativen entstanden. Die Idee fußt auf den Erfahrungen der Aktivisti des „Tags des guten Lebens“ (TdgL) aus drei Berliner Kiezen. Sie wurde von den „Psychologists for Future“ (PSY4F) umgesetzt und hat einen Ort in den Prinzessinnengärten gefunden. Allen drei Initiativen geht es darum, unsere Umwelt lebenswert zu erhalten. Die Initiative TdgL will die Transformation der Stadt anstoßen, indem sie die Nachbarschaft zum Gespräch zusammenbringt. Sie will die Zivilgesellschaft aktivieren. Die PSY4F setzen sich für Klimaresilienz ein und unterstützen Initiativen, wie die des Tag des guten Lebens.

[1] BUND Berlin e.V. (2021) „BUND Baumreport – Berlin 2012-2019 Bestandsentwicklung der Straßenbäume“: www.bund-berlin.de/fileadmin/berlin/publikationen/Naturschutz/baeume/Baumreport_12-19.pdf [Mai2021]

PSY4F 1/8. Bäume leiden – WIR können helfen!

In Berlin sterben jedes Jahr mehr und mehr Straßenbäume. In der Zeit von 2012 bis 2019 wurden pro Jahr 1.108 alte Bäume mehr gefällt als junge Bäume neu gepflanzt wurden. Das bedeutet, dass es jetzt insgesamt 8.870 Bäume weniger in der Stadt gibt. Mit sich verschärfender Klimakrise werden sich die Bedingungen für die Bäume weiter verschlechtern. Die Verluste wiegen doppelt, denn alte Bäume sind größer, haben sehr viel mehr Blätter und schützen uns daher besser. Bäume helfen uns vielfach: kurzfristig geben sie uns Sauerstoff zum Atmen, spenden uns Schatten und geben Feuchtigkeit ab, so dass sie die Temperaturen in der Stadt deutlich senken. Darüber hinaus filtern Bäume Schadstoffe (Feinstaub) aus der Luft. Langfristig betrachtet, nehmen Bäume aus der Luft das CO2 heraus und binden es in ihrem Holz. So helfen Bäume uns, ein gutes Leben für zukünftige Generationen zu erhalten. Denn zu viel CO2 in der Luft erhitzt das Klima immer mehr und wenn wir das nicht verhindern, würden sich unsere Lebensbedingungen dramatisch verändern. [2]

[2] BUND Berlin e.V. (2021) „BUND Baumreport – Berlin 2012-2019 Bestandsentwicklung der Straßenbäume“: www.bund-berlin.de/fileadmin/berlin/publikationen/Naturschutz/baeume/Baumreport_12-19.pdf [Mai2021]

PSY4F 2/8. Wehrst Du noch ab oder siehst Du es schon?

Das Sterben der Stadtbäume ist real. Wer es nicht gewusst hat, sich aber mit den vorherigen Tafeln auseinandergesetzt hat, weiß und erkennt es zukünftig auch. In unserem Alltag begegnen wir vielen Hinweisen auf die Klimakrise, dennoch ignorieren wir sie, leben unser Leben weiter, ohne daran zu denken und entsprechend zu handeln. Etwas zu wissen und nicht anerkennen zu wollen, wird als psychische Abwehr, genauer als Verleugnung verstanden. In Bezug auf die Klimakrise lassen sich verschiedene Formen unterscheiden [3]:

Verneinung – “Die Bäume sterben doch nicht wegen des Klimas!” – Wir streiten die Realität ab, um uns akut vor Ängsten, Wut oder Schmerz zu schützen. Wie bei Trauerprozessen kann sie den ersten Schritt zur Anerkennung darstellen.

Verwerfung – “Dass die Bäume sterben, ist doch nicht soo schlimm!”– Wir setzen die Bedeutung für unser Leben herab. Die Verwerfung stellt die hartnäckigere Form der Abwehr dar, weil wir immer neue Wege der Verleugnung finden, während die Ängste anwachsen.

[3] Weintrobe, S. (2013). Engaging with Climate Change. Psychoanalytic and Interdisciplinary Perspectives. Routledge: London.

PSY4F 3/8. Spürst du schon die Solastalgie?

Eine der dramatischen Folgen der Klimakrise ist der Verlust von persönlich bedeutsamen Lebensräumen. Die Beziehung zu einem Ort zu verlieren oder gar den Ort selbst, löst ein Gefühl aus, welches als Solastalgie [4] beschrieben werden kann – also die Trauer, der Schmerz über das, was uns schon durch die Klimakrise genommen wurde – in Abgrenzung zur Klimangst, welche sich darauf bezieht, was noch zerstört werden könnte. Viele Bäume in unseren Großstädten und somit urbane, grüne Lebensräume hat uns die Klimakrise schon genommen. Dieser Verlust wirkt sich negativ auf unsere mentale Gesundheit aus. Oder positiv formuliert: Der Erhalt der Bäume ist essentiell für unsere Lebensqualität. Grüne Orte in unseren Städten reduzieren nachweislich den persönlichen Stresslevel und damit einhergehende physische und psychische Erkrankungen. Inzwischen gibt es einige Studien, die diese weit verbreitete, subjektive Wahrnehmung auch mit physiologisch messbaren Werten (z.B. geringere Cortisolspiegel oder schneller abflachender Blutdruck bei Erholung in der Natur nach stressauslösenden Situationen) unterstützen [5].

[4] geprägt wurde der Begriff 2005 durch den Philosophen Glenn Albrecht

[5] Withmore-Williams, S., Manning, C., Krygsman, K., Speiser, M. (2017). Mental Health and our Changing Climate: Impacts, Implications and Guidance. APA, Climate for Health, EcoAmerica: Washington & San Francisco.

PSY4F 4/8. Warum sind Stadtbäume für uns wichtig?

Neben der Reduktion des Stresslevels haben urbane Flächen mit Baumbestand noch weitere positive Effekte auf uns Menschen. [6] Die Bäume können sich zum Beispiel günstig auf unsere Erinnerungsfähigkeit auswirken. [7] Es hat sich außerdem gezeigt, dass auch Krankheiten wie Diabetes Typ II oder Atemwegserkrankungen in Wohngegenden mit Grünflächen seltener auftreten.[8] [9] Die Ursachen für diese Effekte sind noch nicht vollständig geklärt. Ein möglicher Erklärungsfaktor besteht jedoch darin, dass in einer Umgebung mit Bäumen unsere Aufmerksamkeit zwar aktiv ist, aber die Reize weniger gezielt und penetrant auf uns einwirken. [10] Außerdem regen urbane Grünflächen zur körperlichen Aktivität an. Sie bringen Menschen miteinander in Kontakt und fördern den Zusammenhalt innerhalb von Nachbarschaften. Der Kontakt zu Stadtbäumen bietet darüber hinaus in einer ansonsten eher künstlichen Umgebung die Möglichkeit, etwas über die Natur und ihre Prozesse zu lernen. Ein Aufenthalt in Parks verstärkt bei vielen Menschen ein Gefühl der Naturverbundenheit und das Bewusstsein darüber, ein integraler Teil der Biosphäre zu sein. [11] Dieses Gefühl der Verbundenheit kann wiederum längerfristig zu engagierteren und nachhaltigeren Handlungsweisen führen. [12]

[6] Grahn, P., & Stigsdotter, U. A. (2003). Landscape planning and stress. Urban forestry & urban greening, 2(1), 1-18.

[7] Tyrväinen, L., Pauleit, S., Seeland, K., & de Vries, S. (2005). Benefits and uses of urban forests and trees. In Urban forests and trees, Springer, Berlin, Heidelberg, 81-114.

[8] Astell-Burt, T., & Feng, X. (2019). Urban green space, tree canopy, and prevention of heart disease, hypertension, and diabetes: A longitudinal study. The Lancet Planetary Health, 3, 16.
 Chiesura, A. (2004). The role of urban parks for the sustainable city. Landscape and urban planning, 68(1), 129-138.

[9] Villeneuve, P. J., Jerrett, M., Su, J. G., Burnett, R. T., Chen, H., Wheeler, A. J., & Goldberg, M. S. (2012). A cohort study relating urban green space with mortality in Ontario, Canada. Environmental research, 115, 51-58.

[10]Kaplan, S. (1995). The restorative benefits of nature: Toward an integrative framework. Journal of environmental psychology, 15(3), 169-182.

[11]Chiesura, A. (2004). The role of urban parks for the sustainable city. Landscape and urban planning, 68(1), 129-138.

[12] Schultz P.W. (2000). Empathizing with nature: the effects of perspective taking on concern for environmental issues. Journal of Social Issues 56, 391– 406.
Whitburn, J., Linklater, W., & Abrahamse, W. (2020). Metaanalysis of human connection to nature and proenvironmental behavior. Conservation Biology, 34(1), 180-193.

PSY4F 5/8. Die Klimakrise ist eine Verantwortungskrise

Wer regelt in einer Demokratie die Angelegenheiten des Gemeinwesens? Wer trifft die Entscheidungen, die unser Überleben sichern sollen? Wer besitzt die Macht, um gesellschaftliche Prozesse zu lenken? Die Politik. Das ist laut Definition Aufgabe der Politik. [13] Doch in unserem neoliberalen Zeitalter steht die Politik den progressiven, überlebensnotwendigen Maßnahmen im Weg. Der Lobbyismus führt dazu, dass politische Entscheidungen zum Vorteil der Elite und zum Nachteil der Mehrheit der Gesellschaft und der Natur getroffen werden. [14] Es ist an der Zeit, dass unsere Politiker*innen Verantwortung für zukünftige Generationen übernehmen. Es ist an der Zeit, dass unsere Ökosysteme durch entsprechende politisch regulierte Maßnahmen aufrechterhalten werden, um ein Überleben zu gewährleisten. Dazu gehören auch diese Bäume auf eben diesem Friedhof. Die Versorgung dieser Bäume und allgemein der Grünflächen in Berlin erfordert politische Maßnahmen: z.B. finanzielle Unterstützung für Gemeinschaftsgärten, Arbeitskräfte für die Baumpflege, Wasseranschlüsse zur Bewässerung der Grünflächen und Bäume… Hier kann die Stadt Berlin definitiv noch mehr Verantwortung übernehmen! [15]

[13] https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/18019/politik
[14] Klein, N. (2014). This changes everything: Capitalism vs. the Climate. Simon & Schuster: New York.
[15] https://fridaysforfuture.berlin/forderungen/klimaangepasstes-berlin-bis-2030/

PSY4F 6/8. Klimaresilienz – was bedeutet das?

Klimafakten werden oft als bedrohlich wahrgenommen. Als Schutzreaktion nehmen viele Menschen eine Vermeidungshaltung ein. Einige Menschen neigen hingegen dazu, sich permanent mit der Klimakrise zu beschäftigen. [16] Die Klimaresilienz beschreibt einen Bereich, der zwischen diesen beiden Polen liegt. Klimaresilienz ist eine psychische Ressource, die Menschen dazu befähigt, die Belastungen durch die Klimakrise kognitiv und emotional gesund und dabei zwischenmenschlich und handlungsorientiert zu verarbeiten. [17] Um Klimaresilienz ausbilden zu können, kann es helfen, sich Gefühle, die aufgrund der Klimakrise entstehen können, in einem Tauchgang näher anzuschauen.

[16] Klar, M. (2020). Klima-Angst & Klima-Resilienz. Verfügbar unter: https://www.psychologistsforfuture.org/wp-content/uploads/2020/09/20200822_FachtagungKlimakrise_Klimaresilienz.pdf [21.05.2021].

[17]  Dohm, L., & Klar, M. (2020). Klimakrise und Klimaresilienz. psychosozial, 43(3), 99-114.

PSY4F 7/8. Aus diesen Bäumen lasst unsere Arche werden?!

Die neoliberale Geisteshaltung und Lebensform des Menschen, die im 21. Jahrhundert vorherrscht, ist mit dem biblischen Bild einer sogenannten Arche Noah-Mentalität [18] beschrieben worden. Diese stelle einen psychischen Zufluchtsort dar, der uns vor der traumatischen Realität der ökologischen Krise schützt. Kennzeichnend sei die Annahme, zu den Auserwählten zu gehören, durch eine höhere Macht gerettet zu werden und unversehrt zu bleiben. Sie erlaubt uns die Anzeichen der Klimakrise – wie das Sterben der Stadtbäume – nicht wahrnehmen und fühlen zu müssen. Wir wenden uns ab, während sich die Gefahr verschlimmert. Doch je länger wir darin verharren, desto schwieriger wird es aus dieser Haltung herauszutreten – gehst du mit uns von Bord? 

[18]  Weintrobe, S. (2020). Die Arche Noah-Mentalität im 21. Jahrhundert. Psychoanalyse im Widerspruch, 63, 33-40.

PSY4F 8/8. Wer [gießt diese Bäume], wenn nicht wir?

Das Sterben der Stadtbäume wirft Fragen an unser Zugehörigkeitsgefühl und unser Eingebundensein in den städtischen Raum auf. Sich zugehörig zu fühlen, wird als eines der existentiellen Grundbedürfnisse des Menschen verstanden.[19] [20]  Erst einmal wahrgenommen, verlangt das Baumsterben, dass wir uns als Menschen und Bürger*innen zu dieser Frage verhalten: Inwieweit wollen/können/müssen wir Verantwortung übernehmen – als Individuum und als Gemeinschaft? Verantwortung zu übernehmen, stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und vice versa. [21] [22] [23] Es lohnt sich, daher hier zwei Ideen:

Durch das Gießen vulnerabler Stadtbäume kann jede*r einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Auf der Seite www.giessdenkiez.de kannst du dich über den Baumbestand in Deiner Nachbarschaft informieren und einzelne Bäume adoptieren.

In den Bundestags- und Berliner Wahlen 2021 können wir uns als Bürger*innen für eine entschiedene „Klimapolitik“ eintreten und uns dazu vorab auf Websites wie www.klimawahlen.de informieren.

[19] Raman S. (2014). Sense of Belonging. In: Michalos A.C. (eds). Encyclopedia of Quality of Life and Well-Being Research. Springer: Dordrecht.
[20] Hagerty, B., Lynch-Sauer, J., Patusky, L &, Bouwsema, P. (1992). Sense of belonging: A vital mental health concept. Archives of Psychiatric Nursing, 6(3), 172-177.
[21] Ross, N. (2002). Community belonging and health. Health Reports, 13(3), 33-9.
[22] Edwards, T. & Wiseman, J. (2013). Climate Change, Resilience and Transformation: Challenges and Opportunities for Local Communities. In Weissbecker, I. (Ed.). Climate Change and Human Well-Being: Global Challenges and Opportunities. Springer: Washington, DC, USA.
[23] Blomme, W. (2014). The Senses of Climate Change: The Politics of Belonging in the Age of the Climate Crisis [Doctoral dissertation, University of Johns Hopkins University]. Johns Hopkins University. https://jscholarship.library.jhu.edu/handle/1774.2/37179