Jihad Issa

Der Künstler Jihad Issa ist 1963 in Aleppo, Syrien geboren. Er studierte und lehrte im Fachbereich Skulptur an der Kunstfakultät der Universität Aleppo. Seit 2015 lebt er in Hellersdorf. 2016 beginnt er Menschen im Stadtteil Berlin-Hellersdorf im öffentlichen Raum und in seinem Atelier in der station urbaner kulturen auf dem ­Boulevard Kastanienallee zu porträtieren.
Seit 2018 portraitiert er im Quartier Hellers­dorfer Promenade im Rahmen des Projektes »Hellersdorfer Gesichter«.

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl):

Einzelausstellung, ­Nachbarschafts­zentrum 74, Am Baltenring 74, Berlin, 2020
»Syrien, Kunst und Flucht« , Alte Feuer­wache Köln, 2019
Einzelausstellung, Kiezbüro DIE LINKE, Cecilienplatz, Berlin, 2019
Einzelausstellung, »Farben der Migra­tion« , KuLe Berlin, 2017
»Ein wenig Schnee – Bilder vom Stadtrand« , station urbaner kulturen, ­Berlin, 2017

Jihad Issa hatte ein Jahr lang in Berlin erfolglos Arbeit gesucht als wir uns im September 2016 auf der Grünfläche zwischen Maxie-Wander-Strasse und U-Bahnhof Cottbusser Platz zum ersten Mal begegneten. Jihad wohnte damals in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) Maxie­-Wander-Straße 78. Ich arbeitete auf der Grünfläche im Rahmen der künstlerischen Aktivitäten der station urbaner kulturen, des Hellersdorfer Standortes des Berliner Kunstvereins neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK). Wie viele andere Anwohner:innen des Quartiers, kreuzte Jihad die Grünfläche regelmäßig auf seinem Weg vom U-Bahnhof bzw. vom Deutschkurs nach Hause. Als er beim täglichen Vorbeigehen beobachtete, wie die Künstlerin Folke Köbberling mit Kindern aus der GU einen großen Holzsockel mitten auf der Grünfläche baute, fragte er, ob er beim Bauen mithelfen könnte. Der Sockel diente als ein informeller Treff­punkt an einer Stelle, wo sich viele Trampelpfade durch die Grünfläche kreuzten. Später sollte eine von der Künstlerin Valeska Peschke gestaltete 13m hohe Siegessäule aus PVC, auf dem Sockel aufgeblasen und gestürzt werden. Der Sturz erinnert an den Aufstand der Kommunard:innen 1871 in Paris, die gegen den Krieg des Herrschers Napoleon III. protestierten und dessen Säule umwarfen.
In den Wochen nach unserer ersten Begegnung trafen wir uns regelmäßig an dem Kunstwerk. Jihad fing an, ­Besucher:innen des Treffpunktes kostenlos zu porträtieren. Unsere Freundschaft wuchs. Zwei Monate später baute er sein Atelier in den Räumlichkeiten der station urbaner kulturen auf und wurde dauerhaft unserer ­Artist-in-Residence. Sieben Monate später stand Jihad mit Valeska oben auf dem Sockel und sie stürzten die Sieges­säule, die von einem Dutzend aufgeregter Kinder am Boden in Empfang genommen wurde. Danach servierte er allen Passant:innen und Beteiligten warme syrische Brote. Fünf Jahre später stürzt er die Siegessäule noch regelmäßig, inzwischen mit einem erweiterten Team von befreundeten An­wohner:innen und Künstler:innen. Die mit den Stürzen einhergehende Namens­gebung der Grün­­fläche in Place ­Internationale hat sich im Bezirk eingeprägt und Jihads scharfe Brote kommen bei Veranstaltungen dort weiter gut an. Seine Portraits der Anwohner:innen sind nun stadtteilweit bekannt.
Als Studierende der Alice-Salomon-Hochschule ihn 2019 in einem Interview nach seiner Laufbahn in Deutschland fragten, sagte er, dass er im September 2016 wieder Arbeit als Künstler gefunden hätte. Er hat inzwischen über 100 Portraits in Hellers­dorf gezeichnet oder gemalt und zum großen Teil verschenkt. Diese Publikation widmet sich einem Teil dieser Portraits und den Portraitierten.
Adam Page, 25.01.2021